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Ich will dich töten, wenn der Hass übernimmt: Abstand

Ich will dich töten, wenn der Hass übernimmt: Abstand

Anne stand seit zwanzig Minuten in der Küche, ohne sich zu rühren. Die Kaffeetasse war längst leer, die Milch unangerührt. Das leise Brummen des Kühlschranks war das einzige Geräusch, seit Thomas das Haus verlassen hatte. Die Uhr über dem Herd tickte unaufdringlich, doch in ihrem Kopf dröhnte jede Sekunde wie ein Hammerschlag.

Er hatte die Tabletten wieder genommen. Sie hörte es nicht – aber sie wusste es. Sein Gang veränderte sich. Weniger Schmerz, mehr Druck. Mehr Wucht in jeder Bewegung. Mehr Unruhe in der Wohnung.

Die Kinder waren im Bad. Maja sang leise, ein improvisiertes Lied ohne Melodie. Finn sagte nichts, wie immer. Doch Anne wusste, dass auch er alles spürte – mit seinen eigenen, stillen Sensoren.

Anne seufzte und rieb sich die Schläfen. Jeder Tag begann mit dem selben Gefühl: ein schmaler Grat zwischen Pflicht und Flucht. Zwischen „Ich halte das aus“ und „Ich muss hier weg“. Thomas war nicht immer so gewesen. Oder vielleicht doch, und sie hatte es nur nicht sehen wollen. Damals, als alles noch leicht war. Als Verantwortung noch wie ein Versprechen klang.

Sie griff zum Handy, öffnete den Kalender. Donnerstag, 14:00 Uhr: Besprechung mit Julian – es stand nur der Vorname. Niemand hätte etwas dabei gedacht. Nicht mal sie selbst – am Anfang. Heute war dieser Eintrag mehr als ein beruflicher Termin. Er war ein Anker.

In der Klinik – 13:55 Uhr

Julian wartete wie immer am Fenster, die Arme locker verschränkt, das Licht im Nacken. Der Raum war schlicht, aber hell – Pflanzen auf der Fensterbank, leise Musik aus einem versteckten Lautsprecher. Es roch nach Lavendelöl.

Er sah sie an. Nicht abschätzend. Nicht fordernd. Einfach nur da. „Du bist angespannt“, sagte er ruhig. Anne nickte. Mehr musste sie nicht sagen. Er stellte zwei Tassen Tee auf den Tisch. Kamille. Nichts, was drängt. Nichts, was zwingt.

Sie sprach nicht über Thomas. Nicht direkt. Aber Julian hörte trotzdem alles. In den Pausen zwischen ihren Worten. In dem Moment, in dem sie das erste Mal in der Woche durchatmete.

Zuhause – später Nachmittag

Die Musik in der Garage war schon auf halber Strecke zum Garten zu hören. Basslastig, eintönig, wie ein Maschinenraum. Anne stellte die Tasche ab, schloss die Tür leise. Sie wusste, was Donnerstage bedeuteten. Sie wusste auch, dass keiner der Männer fragen würde, wo sie war. Nicht einmal Willi. Es war ein geschlossenes System – laut, träge und voller Rauch.

Maja saß auf dem Sofa, stumm, die Beine angezogen. Ein Kuscheltier im Arm, die Augen halb geschlossen. Anne setzte sich daneben, legte vorsichtig den Arm um sie. „War Papa wieder laut?“ Maja zuckte nur mit den Schultern. Kein Ja, kein Nein. Nur der Schatten einer Antwort.

Später, allein im Bad

Anne drehte den Wasserhahn auf, lehnte sich an das Waschbecken. Ihr Blick im Spiegel war müde. Die Haut um ihre Augen spannte. Kein Make-up mehr, seit Wochen. Sie berührte die Kette an ihrem Hals – ein dünnes, fast unscheinbares Geschenk. Von Julian. Nicht romantisch. Nicht ansprechend. Einfach ein Zeichen. Ein stiller Code.

Ein Zeichen, dass jemand hinsah.

Willis Rückblick: Unsicherheit und Kontrollwahn

Willi erinnerte sich noch genau. An alles. An die Monate, in denen er Thomas noch als seinen besten Freund bezeichnete. An Daniela. An den Verrat.

Damals war er viel unterwegs. Fernfahrer. Wochenlang nicht zuhause. Er finanzierte mit diesem Job die gemeinsame Wohnung und seine Ausbildung als Elektrotechniker. Daniela war oft allein. Jung, naiv, leicht zu beeindrucken. Und Thomas wusste das. Nutze es. Setzte sich in ihr Wohnzimmer. Später in ihr Bett. Oder lud sie in sein Auto ein, wenn Willi wieder mal in seiner Elektrotechnik versank.

Willi hatte es nicht gleich gemerkt. Erst war da die Telefonrechnung – stundenlange Gespräche mit Thomas. Dann Danielas Verhalten: plötzlich aufgebrezelt, immer wieder „bei einer Freundin“.

Irgendwann rief Willi an. „Wo bist du?“ Daniela wich aus. Willi fuhr los. Stellte sich vor Thomas’ Wohnung. Wartete.

Dann sah er sie. Zusammen. Lachen. Schulter an Schulter. Die Autotür fiel ins Schloss.

„Das war’s“, sagte er. Schlug die Autotür von Thomas zu.

Später, als sie zu zweit in seiner Wohnung standen, kamen sie mit dem Satz: „Es ist nicht das, wonach es aussieht.“

Willi fragte nur: „Warum?“

Thomas schrie ihn an. Willi schlug zu. Mit aller Kraft. Thomas fiel. Weinte.

Und Willi ging. Einfach so. Kein Wort mehr. Nur Stille.

Seitdem war alles anders.

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