Deutsche Bahn – Bevor es besser wird, muss es schlimmer werden
Seit Monaten wird mal wieder an meiner Südverbindung zum Flughafen BER geschraubt. Es ist ja nicht so, als hätten wir in den letzten Jahren keine langfristigen Sperrungen in diesem Bereich gehabt. Langsam drängt sich der Verdacht auf, dass hier nur noch herumgepfuscht wird. Selbst neue Strecken, die gerade erst fertiggestellt wurden, müssen kurz darauf wieder umgeleitet werden, weil irgendwo erneut saniert werden muss. Wie lange soll diese Flickschusterei noch gutgehen, bevor etwas passiert, was angeblich niemand hat kommen sehen? Manchmal fordert mich diese Mentalität sehr heraus. Aber dann denke ich mir, vielleicht haben sie das Problem erkannt und tun tatsächlich etwas dagegen. Doch wie viel davon ist wirklich nachhaltige Arbeit und wie viel bloß ein Versuch, die schlimmsten Schäden notdürftig zu überdecken? Mein Vertrauen in diese Maßnahmen ist jedenfalls überschaubar, wenn ich sehe, wie oft sich diese Szenarien wiederholen.
Und dann lese ich in der Presse1, dass die marode Infrastruktur der Bahn angeblich nicht das Hauptproblem sei. Ernsthaft? In welchem Paralleluniversum lebt man da im Verkehrsministerium? Jeder, der regelmäßig mit der Bahn unterwegs ist, sieht doch, dass das Streckennetz völlig überfordert und in einem katastrophalen Zustand ist. Es wird geflickt, improvisiert und repariert, aber das eigentliche Problem wird konsequent ignoriert. Jahrzehntelang haben wir zu wenig in die Schiene investiert – und fahren weiterhin auf Verschleiß.
Besonders unheimlich wird es, wenn man auf manchen Strecken unterwegs ist und plötzlich die Jagdschwingung2 einsetzt. Der Zug beginnt zu schlingern, das Aufschaukeln wird immer stärker, und man fragt sich, wie lange das noch gutgeht, bevor etwas Schlimmeres passiert. Dieses mulmige Gefühl kommt nicht von ungefähr – es zeigt, wie sehr Gerät und Infrastruktur an vielen Stellen über ihre Belastungsgrenze hinaus betrieben werden. Normalerweise, soweit mir bekannt, wird dieses Phänomen durch regelmäßige Wartung an den Radsätzen und Drehgestellen eingedämmt. Doch wenn die Infrastruktur diese Bewegungen noch verstärkt, helfen auch gut gewartete Züge nur begrenzt.
Natürlich gibt es noch andere Herausforderungen wie überlastete Fahrpläne, betriebliche Engpässe oder Züge, die erst noch beim Kunden reifen müssen. Doch diese Probleme zu betonen, während das Fundament – das Streckennetz – in sich zusammenbricht, ist nichts anderes als Augenwischerei. Statt immer nur die Symptome zu behandeln, wäre es endlich Zeit, die eigentlichen Ursachen anzugehen und das Netz fit für die Zukunft zu machen. Aber vielleicht erwarte ich da zu viel, während ich mal wieder irgendwo im Stau stehe – verursacht durch den allgegenwärtigen Sanierungstau.