Website-Icon Daniel Jörg Schuppelius

Meine erste Critical Mass in Potsdam

Auf einer Kundgebung in Berlin wurde bekannt gegeben, dass die Critical Mass in Potsdam jeden ersten Freitag im Monat stattfinden würde. Im Normalfall ist es für eine CM der letzte Freitag im Monat, aber aufgrund der Nähe zu Berlin entschied man sich diese zu verschieben. Eine gute Entscheidung wie ich finde, denn so kann man beiden Treffen beiwohnen, ohne dem anderen eine Abfahrt zu verwehren. Was mich allerdings überraschte, war der Einsatz der Polizei und die daraus resultierenden Gegebenheiten. Alles im allem, war es dennoch ein gelungener Ausflug mit Gleichgesinnten.

Wo befindet sich der Treffpunkt?

In Potsdam, trifft sich der Verband um 18:30 Uhr am Luisenplatz (Am Brunnen). Ich und mein Kollege waren zugegeben etwas überfragt, weil auf den Fotos der Criticalmass.in das Brandenburger Tor abgebildet wird. Zusätzlich stand dann noch die Unsicherheit im Raum, ob die CM überhaupt am ersten Freitag im Monat stattfindet, weil auf der besagten Seite noch ein alter Termin eingetragen ist. Die ADFC Seite zur CM-Potsdam habe ich erst heute gefunden. Ehrlich gesagt habe ich auch erst heute danach gesucht.

Mitfahrende

Die CM-Potsdam könnte etwas Support benötigen, denn wie ich nach einigen Fragen mitbekommen habe, werden nicht immer die 16 Radler erreicht. Wie auch in Berlin gibt es hier einen harten Kern, der wohl öfter fährt. Hier ist die Atmosphäre etwas “familiärer”, wenn ich es mal beschreiben sollte. Anschließend an die CM-Potsdam gehört es wohl zum Ritual miteinander was Essen zu gehen, was ich persönlich ganz charmant fand.

Die CM-Potsdam (01.09.2023)

Warum ich mich eigentlich dazu genötigt sah mich mal zu dieser CM zu äußern, war der gestrige Einsatz der Polizei. Aufgrund der Mengenproblematik, kannte man bei den Behörden in Potsdam die CM nicht. Infolgedessen wurden wir schon nach 40 Minuten von 2 Polizisten an der Yorckstraße gestoppt. Es hatte wohl ein Passant angerufen, der uns anzeigte. Aufgrund meiner Musikanlage, waren wir wohl diesmal etwas auffälliger unterwegs, was im Nachhinein zu dieser Geschichte führte. Mir war halt nicht bewusst, dass die Potsdamer noch keine Radfahrenden im Verband kennen. Ich bin an die Sache halt ran gegangen, wie ich das aus Berlin gewohnt war.

Verdachtsunabhängige Verkehrskontrolle

Da es bei einer CM keinen Verantwortlichen gibt und wir nur ein loser Verbund von Radfahrern sind, konnten die 2 Polizisten uns nicht direkt Maßregeln. Als der erste angesprochene Mitfahrende, dann noch einen Polizeischutz ablehnte, wusste der Polizist nicht wohin mit uns. Folglich schaltete der Polizist schnell auf eine Verdachtsunabhängige Verkehrskontrolle um. Und forderte vom ersten Mitfahrenden, dem er habhaft werden konnte, die Personalien ein. In Berlin wäre der Beamte damit kläglich gescheitert, aber aus Solidarität blieben wir an Ort und Stelle und ließen die Prozedur über uns ergehen. Wir hatten es ungefähr 19:30 Uhr. Nach längeren Rücksprachen des Personalien kontrollierenden Beamten mit seiner Dienststelle, aktivierte dieser den bzw. die nächste Vorgesetzte. Nach gefühlt einer halben Stunde kam diese dann auch Vorbei und lud mich zu einem Gespräch ein, da ich mich bereiterklärt hatte die Situation zu erklären. Der Ausweis des kontrollierten Mitfahrers war zu diesem Zeitpunkt immer noch im Besitz des Beamten.

Ich ging also zur Vorgesetzen der Beamten, irgendwas mit dem Code 20, um ein Gespräch zu beginnen. Kurz darauf wurden wir von einem Telefongespräch seitens der Beamtin unterbrochen, die wohl mit weiteren Kollegen Rücksprache hielt, um zu erfahren was die CM ist. Mittlerweile tauchte dann ein Mannschaftwagen der Polizei auf und ich hatte den Eindruck die Polizei legte es darauf an die Situation eskalieren zu lassen. Jedenfalls zeigte mir die Körpersprache des Fahrers entsprechendes Potential. Einige Geschichten der Potsdamer Polizei kannte ich bereits, also hielt ich Abstand zum entsprechenden Beamten. Vor allem weil auch einige Teilnehmer öfter mal einriefen, die Stimmung würde kippen. Alles zwar eher in der scherzhaften Ecke angesiedelt. Ich habe jedoch schon mitbekommen wie schnell Polizisten und Demonstranten ausklinken können. Jedenfalls hatte ich keine Lust, irgendeine Faust von einem angestachelten Polizisten abzubekommen, nur weil dieser mein Kopfnicken als Attacke interpretieren möchte. Minuten zogen ins Land und die Leiterin war noch am telefonieren. Die dazugestoßenen Beamten wollten natürlich jetzt auch erfahren, wie sie mit der Situation umgehen sollten und es bildete sich eine kleine Schlange mit gesprächswilligen Personen vor der Leiterin der ganzen polizeilichen Aktion.

Das Angebot

Nach einiger Zeit hatte die Leiterin also Zeit für mich und ich versuchte ihr zu erklären, dass hier niemand irgendetwas lenke und wir nur ein loser Verbund von Radfahrern seien. Das einzige was uns verbinde sei das gemeinsame Interesse am Radfahren und der Treffpunkt. Wir kamen auf die Verbandsfahrt und den § 27 Abs.1 StVO zu sprechen.

(1) Für geschlossene Verbände gelten die für den gesamten Fahrverkehr einheitlich bestehenden Verkehrsregeln und Anordnungen sinngemäß. Mehr als 15 Rad Fahrende dürfen einen geschlossenen Verband bilden. Dann dürfen sie zu zweit nebeneinander auf der Fahrbahn fahren.

Bundesministerium der Justiz

Weiterhin versuchte ich klar zu machen, dass ich nur sehr begrenzten Einfluss auf die Gruppe habe und ich nur aus den Erfahrungen aus Berlin berichten könne. Ich zeigte Webseiten, wo und wie die CM funktioniert. Erklärte wann und wie die Berliner Polizei sich in das Geschehen einbringt und wann nicht. Lange Rede kurzer Sinn die leitende Beamte wollte eine von mir folgende Dinge. Erstens sollte ich eine Route festlegen, was bei einer CM nicht möglich ist. Zweitens sollte ich zur Ordnung aufrufen und das nur jeweils 2 Radfahrer nebeneinander fahren dürfen. Sollten wir allerdings einen Stau hervorrufen, würden sie uns mit einer Ordnungswidrigkeit belegen. Mit Händen und Füßen versuchte ich zu erklären, dass ich ihre Forderung nicht einhalten kann, da ich als Radfahrer per se schon einen Stau verursachen würde, weil ich nur eine begrenzte Geschwindigkeitsbandbreite habe. Das würde nichts zur Sache tun und ich solle das mit der Gruppe abklären und eine Entscheidung an sie weitergeben. Wiederholt sagte ich, dass ich diese Forderungen nicht verstehe bzw. ich nicht weiß wie ich damit umgehen sollte. Für mich waren diese Forderungen einer Auflösung unserer Verbandsfahrt gleichzusetzen. Man konnte meiner Gesprächspartnerin mittlerweile ansehen was sie dachte.

Was ist das denn für ein Hirsel.

Wiederholt und ungeduldig erwiderte sie, sie habe mir schon erklärt welche Optionen ich hätte und ich solle das mit der Gruppe abklären. Ich fragte wie das mit einem 25km/h Fahrzeug aussehen würde und ob man da dann auch von einem Bußgeld sprechen würde. Zusätzlich fragte sich die CM-Gruppe, ab wann ein Stau verursacht sei. Die Definition des Fahrers aus dem Mannschaftswagen lautete salopp aus der Ecke ab 3 Fahrzeugen. Die leitende Beamte antwortete darauf nicht. Leider sind mir zu diesem Zeitpunkt nicht die Kutschen eingefallen, die hier in Potsdam ihre Runden drehen. Aber ich würde mal sagen, dass hätte unsere Peiniger auch nicht weiter interessiert. Zu diesem Zeitpunkt wollte ich schon gar nicht mehr irgendwas erklären bzw. überhaupt noch fahren. Dennoch traf ich die geforderte Rücksprache mit der Gruppe und setzte mich dem Risiko aus, später von unseren Beamten belangt zu werden.

Mittlerweile fühlte sich der Großteil der Masse schon arg in ihren Rechten beschnitten und wir hatten bereits mit jeder Minute weitere Mitfahrende verloren. Ich denke, darauf zielte die gesamte Operation der Potsdamer Polizei auch ab. Um 20:27 Uhr konnten wir unsere Fahrt dann fortsetzen und drehten noch für weitere 30 Minuten eine kleine Runde.

Meine Aufarbeitung

Die ganze Zeit dachte ich darüber nach, was der Einwurf mit den 3 Fahrzeugen und dem Stau sein sollte. Irgendwo hatte ich mal was von 1km gehört. Ich denke primär ging es darum, wir stören die Autofahrer und wir sollen von der Straße verschwinden. Auch die bindende Nutzung von Radwegen drückte eher die Hilflosigkeit der Beamten aus. Hier warf ich dann noch ein, dass nur das blaue Schild mit dem Rad eine entsprechende Nutzung gebietet. Ein weiteres Argument der Leiterin hätte ich im nachhinein auch entkräften können. Es ging um dem Schutz unserer Gruppe. Da ich schon einige CMs und Fahrraddemos mitgemacht habe, kann ich bestätigen, dass die Polizei nichts verhindern kann. Sie ist nur schneller am Geschehen. Selbst auf einer kleinen Demo mit ausreichend Polizeibegleitung (Respect Cyclist) hätte es fast einen Radfahrer in Pankow erwischt. Den Drang zur Selbstjustiz einiger Autofahrer hat, aus meiner Sicht, die Politik verschärft. Jeder der nur das Nachdenken über die Notwendig von Autos anspricht, ist schon ein militanter Klimaschützer der in Verhinderungshaft gehört. Die Frage, wie man mit dem Fahrrad sicher von A nach B kommt ist in Potsdam genauso dringlich wie in Berlin. Teilweise sind hier Radwege vorhanden, welche die Gefährdung von Radfahrern eher steigern. Ich spreche von der Alleestraße bzw. Am Neuen Garten ein Straßenzug der vorbei an Parteizentralen führt.

Mein Resümee

Der Abend war trotz der Gängelung durch unsere Exekutive ein Gelungener. Das Netzwerk wurde weiter ausgebaut und ich habe mal die Sichtweise von anderen Beamten aufgenommen. In Berlin hatte ich bisher keine Probleme dieser Art und auch nicht die ständige Angst, dass mir ein Beamter ein Strick aus dem Drehen würde was ich versuche aufzuklären. Gerade bei denen die dir freundlich begegnen, sollte man sich sehr in acht nehmen. Bei allem, was ich aus meinem Leben mit der Polizei kennengelernt habe. Hieß es immer, halte dich fern von Polizeibeamten und wechsle kein Wort zu viel mit ihnen, es könnte dich teuer zu stehen kommen. Die Zeit wird zeigen, wie ich aus der Geschichte herauskomme, denn natürlich wurden auch meine Personalien aufgenommen. Irgendeine Aussage die ich getroffen habe, könnte mich evtl. als Verantwortlichen hinstellen usw… Schließlich wurde von Seiten der Polizei immer darauf geachtet das ein weiterer Beamter zuhört und ich stand recht isoliert. Hart an der Grenze empfand ich auch das Einbehalten des Ausweises eines Mitfahrenden bis zur Abklärung des Vorganges. Wenn es eine Verdachtsunabhängige Verkehrskontrolle gewesen sein sollte, dann wäre diese doch sicher nach einigen Minuten abgeklärt gewesen. Zumal auch keine verkehrstaugliche Überprüfung des Rades vollzogen wurde.

Ich werde wohl mal ein paar Flyer auf der CM-Berlin verteilen, dass wir in Potsdam etwas mehr Unterstützung benötigen, um unsere Verbandsfahrten etwas angenehmer für Radfahrende zu gestallten.

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