Dieses Jahr habe ich mich dazu entschlossen, ein Cargobike anzuschaffen. Ich hatte eine Zeitlang mit einem Cube Cargo Dual Hybrid 1000 geliebäugelt, weil ich das 2-Fach Akkupack so nett fand. Aber dann sah bzw. fand ich das Kettler. Es hatte eine gerade Ladefläche und keinen Laderaum mit festen Rahmen der mich nur künstlich beschränkte. Zusätzlich konnte das Lastenrad mit 2 Akkus betrieben werden und die mechanischen Spielereinen weckten meine Neugier. Als ich dann die Variante mit der automatischen Enviolo-Schaltung entdeckte, war der Entschluss gefasst. Ich suchte mir folglich einen Händler heraus und fand auch einen, der dieses Rad vorrätig hatte. Natürlich wollte und musste ich gleich ein paar Änderungen am Bike vornehmen. In dem folgenden Beitrag möchte ich euch meine bisherigen Erfahrungen mit dem Kettler Cargoline HT 600 E-CA Belt vortragen.
Warum das Cargoline HT 600
Wie oben schon angedeutet, habe ich lange nach Lastenrädern geschaut. Jedoch habe ich nie ein Lastenrad gefunden, welches die für mich wichtigen Bestandteile komplett abbildete. Beim Bullitt gefiel mir die Ladefläche, jedoch nicht der hervorstehende Rahmen an dieser. Wäre jedoch mit einer stärkeren Bodenplatte behebbar gewesen. Bei den Riese & Müller Lastenrädern gefiel mir die Rahmenform. Allerdings war hier die Ladefläche durch die Rahmenführung zu stark eingeschränkt. Dann entdeckte ich das Cube Lastenrad und die Möglichkeit, mit 2 Akkus die Reichweite zu erweitern. Nach einigen Monaten fand ich dann das Lastenrad von Kettler. Die Lenkung fixte mich schon an und als ich nach ein paar Wochen darauf, die Variante mit dem Riemenantrieb entdeckte, stand mein Entschluss fest.
Den Preis von knapp 8000€ fand ich etwas knackig, aber noch akzeptabel und entspricht wohl eher der Preisklasse von Riese & Müller. Da ich bis jetzt jedes Vehikel umgebaut bzw. angepasst habe und somit noch mehr in das Lastenrad reinstecke werde, liegt der endgültige Preis wohl noch etwas höher. Mit einer entsprechenden Förderung, die es zurzeit vom Bund gibt, hätte ich wohl die Kosten für den Umbau drin. Folglich beantragte ich diese Förderung und wartete auf die Bewilligung, die ich nach ca. 2 Wochen erhielt. Auf die Förderung und ob ich sie überhaupt erhalten habe, gehe ich nicht weiter ein. Die Förderung ist dann wohl eher Stoff für einen gesonderten Beitrag.
Servicewüste Deutschland
Nachdem ich die Förderung bewilligt bekommen habe, kontaktierte ich den Händler (HILD Radwelt) den ich für den Kauf des Rades ausgewählt hatte. Die einfache Frage, ob er das Rad auch liefern könne, beantwortete er mit 70% -> Ja und 30% -> Nein. Er müsse seinen Chef fragen und würde sich dann zurückmelden. Eine Rückmeldung fand niemals statt! Also kontaktierte ich Radhändler in meiner Umgebung, die von Kettler als Händler geführt werden (Radhaus Potsdam und Wolling´s 2-Rad-Center). Das Rad hätte man nicht und man würde es auch nicht bestellen. Erstaunt von den Absagen, bedankte ich mich und ging weiter auf die Suche nach einem Händler der etwas Geld verdienen wollte. Sind die Margen auf solche Räder so niedrig, dass niemand einen Finger dafür krumm machen möchte?
Da ich auf der schweizerischen Seite von e-motion das Lastenrad gesehen habe, dachte ich mir, ruf mal bei e-motion e-Bike Welt Werder an. Vielleicht habe ich ja etwas Glück und ich habe dann einen Händler der gleich um die Ecke ist. Fehlanzeige! Hier wird primär nur mit Riese & Müller das Geld verdient. Also war weitersuchen angesagt. So bin ich dann bei Fahrrad Ranzinger gelandet, denn die hatten das Rad Vorort. Folglich ließ ich mir das Rad gleich reservieren und holte mir es am nächsten Tag gleich ab.
Erster Defekt
Nach der zweiten Tour ist mir nach dem Putzen aufgefallen, dass ein Sicherungsring gebrochen war und der Rest nur noch vom Zufall in der Führung gehalten wurde. Wie fast immer, wenn man sich ein neues Rad kauft, irgendwo hängt immer ein Fehler drin. Meinen Radhändler wollte ich nicht mit diesem Problem behelligen, erstens kam das Rad so von Kettler und zweitens wollte ich die Befehlskette so gering wie möglich halten. Also kontaktierte ich Kettler, ob sie mir nicht die Größe von dem Sicherungsring der Elian Lenknabe mitteilen könnten, damit ich zeitnah mit einem Austausch beginnen kann. Rund 2 Wochen später bekam ich dann die Rückmeldung von Kettler mit den gewünschten Daten. Mittlerweile hatte ich mir den Ring ausgebaut, vermessen, im Fachhandel bestellt und bereits montiert. Natürlich hatte Kettler mir in einer nachfolgen Mail nochmal bescheinigt, dass ein selbstständiges Austauchen von Teilen nicht gewünscht ist und zum erlöschen der Garantie führt. Da es sich bei dem Sicherungsring um ein DIN-Bauteil handelt und mein selbst montierter Sicherungsring den von Kettler bzw. Elian genannten Spezifikationen (Standard DIN 471 (75mm) external retaining clip 430 stainless steel) entspricht, pfeife ich auf den Nachtrag. Jeder Händler/Hersteller wird dir irgendeine Geschichte erzählen, dass nur das eigene Bauteil funktioniert. Das der Hersteller dieses Bauteil evtl. beim selben Hersteller/Lieferanten wie du kauft, wird er dir nicht erzählen. Dieses Verhalten wäre umsatzmindernd und passt nicht zu Unternehmen die primär gewinnorientiert arbeiten. Hätte man auf Basis von Kundenzufriedenheit und zeitnah reagiert, würde das Teil vermutlich jetzt von Kettler bzw. Elian in meinem Rad sein.
Noch ein kurzer Nachtrag:
Aus Sicherheits- und Gewährleistungsgründen halten wir Sie selbstverständlich dazu an, das Originalteil über Ihre Verkaufsstelle / Ihren KETTLER Alu-Rad Fachhändler instand setzen zu lassen.
Einen selbstständigen Austausch von nicht originalen Teilen schließen wir aus Sicherheitsgründen aus.
Um den Vorgang zu beschleunigen können Sie uns auch gerne den Händler nennen, dann schicken wir Ihm direkt einen Sicherungsring zu.
Mail von Kettler
Wie gesagt, das Rad ist ein Betriebsrad und einen Ausfall, über solch einen Zeitraum, akzeptiere ich keinesfalls. Natürlich hatte ich mittlerweile auch meinen Radhändler über den defekt informiert, da ich das Angebot von Kettler zur Lieferung des Ersatzteiles, wenn mir keine weiteren Kosten entstehen würden, annahm. Was soll ich sagen, bis heute ist von beiden Beteiligten keine Meldung eingegangen. Also bleibt mein Teil im Rad und ich kümmere mich, wie sonst auch, um den reibungslosen Betrieb meiner Technik. Für Privatkunden mag der Service ausreichend sein, für eine Firma ist es das nicht. Defekte treten immer mal auf und ich plane diese auch ein. Für ein Bauteil dieser Wichtigkeit und Gefährdungsklasse, hätte ich mir etwas mehr Geschwindigkeit gewünscht.
Meine Erfahrungen zum Rad
Genug von Defekten, Herstellern und Händlern die nicht über die Zufriedenheit ihrer Kunden Geld verdienen wollen. Das Rad war nach dieser kleinen Geschichte also Einsatzbereit. Kommen wir also gleich zum dem Wichtigsten was so ein Rad betrifft, die Sitzposition und die Länge der Sattelstütze. Ohne die passende Position auf dem Rad, hängen die Knie an den Ohren und man kommt nicht adäquat voran bzw. nur mit Muskelschmerzen. Für Personen die größer als 1,80m sind, ist die vormontierte Sattelstütze LIMOTEC A3Z (140mm) nicht ausreichend. Das dumme an dieser Geschichte, die Sattelstütze mit integrierter Federung gibt es nicht in der passenden Länge. Also musste ich die LIMOTEC A1 (200mm) montieren. Der Hebel für die Sattelstütze muss dafür nicht getauscht werden!
Durch die aufrechtere Sitzposition brauchte ich auch einen anderen Sattel, der etwas schmaler und mit entsprechender Aussparung in der Mitte versehen ist. Bei längeren Touren hatte ich mit dem anderen Sattel Probleme mit dem Steißbein und einschlafenden Geschlechtsteilen. Hier entschied ich mich für den SLR Superflow S Sattel von Selle Italia. Des Weiteren tauschte ich auch die Bestandsgriffe gegen eine Variante mit längeren Hörnern (GP4 von Ergon).
Achtet darauf, dass einige Griffe für Schaltungen vorbereitet sind und demzufolge an einer oder mehreren Seiten kürzer sind. Da bei diesem Rad keine manuelle Schaltung vorhanden ist, also die lange Variante.
Enviolo und Antrieb
Wer schon den Beitrag zum Riese & Müller Supercharger gelesen hat, der konnte sehen, dass mich das Enviolo-Schaltungssystem überzeugt hat. Mit dem Kettler habe ich diese Erfahrung auf eine weitere Stufe nach oben gestellt. Hier kann man im Fahrradcomputer einstellen, wo die eigene Wohlfühltrittfrequenz liegt und die Automatik sorgt dafür das man dort landet.
Was mir allerdings zum Antrieb aufgefallen ist. An dem Kettler sind die Schrauben zum Einstellen der Riemenspannung nicht für die gesamte Bandbreite der Verschraubung montiert. Etwas ärgerlich, wenn man die Spannung des Riemens korrigieren möchte und die Schraube nicht weiter spannen kann, weil sie zu kurz ist.
Originalakkus und Austauschakkus
Als nächstes wollte ich natürlich die Reichweite meines Rades erweitern. Also besorgte ich mir einen zusätzlichen Akku und probierte mal einen Austauschakku von Akku4bikes. Wer nur die Reichweite erweitern möchte, zum Laden die Akkus aus dem Rad nehmen möchte und gelegentlich einen Fehler 530 vom Boschsystem in Kauf nehmen möchte, der kann die Austauschakkus von E-Bike Vision benutzen. Für alle anderen die die volle Funktionalität des Rades nutzen möchten, kauft euch die Originalteile von Bosch.
Ich kann in meinem Rad keine Akkus mit unterschiedlichen Hardwareversionen laden und auch sonst sind die Anschlüsse bei meinem Austauschakku ziemlich ausgelutscht. Auch wenn euch Akku4bikes was anderes erzählt. Einen Original- und Austauschakku werdet ihr in dem Kettler nicht laden können. Mag sein, dass 2 Austauschakkus funktionieren, aber ich steh nicht so auf Fehlermeldungen und die kommen, wenn ihr solche Akkus verwendet. Ich hatte zwar einen kurzen Mailverkehr mit dem Geschäftsführer von Akku4bikes der dann Rücksprache mit seinem Lieferanten hielt. Jedoch war ich nicht überzeugt von der Qualität der Produkte.
Bei kalten Temperaturen die Akkus zu laden, kann manchmal einen Fehler 603 verursachen. Alles halb so wild! Nehmt euren Akku einfach mit rein und ladet ihn dann, nach einer kurzen Eingewöhnungsphase und in der vorgeschriebenen Temperaturbandbreite. Das Fahren bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, funktionierte bisher tadellos.
Mit Wasser sieht die Sache etwas anders aus. Hier hatte ich eine Situation, bei der sich das Rad am Berg abschaltete. Vermutlich ist hier Wasser in die Elektronik gelaufen. Die Witterungsbedingungen waren an diesem Tag auch recht extrem und seit diesem Vorfall ist nichts weiter passiert.
Computer
Den Kiox der vormontiert war, habe ich gegen einen Nyon ausgetauscht. Für mich war die Navigation ohne Smartphone ein wichtiger Punkt. Ansonsten ist der Kiox völlig ausreichend für den reibungslosen und übersichtlichen Betrieb. Die eigenständige Navigation ist auch den entscheidende Pluspunkt für einen Nyon, alles andere bekommt man auch über den Kiox geregelt.
Beleuchtung
Die Rückleuchte vom Kettler hat schon ihren Charme. Für meine Bedürfnisse aber nicht ausreichend. Also besorgte ich mir von Busch & Müller die Toplight Line Brex. Dieses Rücklicht bietet für E-Bikes eine Bremslichtfunktion auf Basis von Beschleunigungssensoren. Im Klartext, man muss nicht irgendwelche Schalter an seinen Bremshebeln anschließen und hat dennoch eine entsprechende Signalisierung in mehreren Stufen. Normales Bremsen = Helles Aufleuchten, Starkes Bremsen = Blinkendes und helles Aufleuchten. Kleiner Wermutstropfen, die Lampe ist zu hoch für den Gepäckträger. Also baute ich mir ein Teil für mein Rücklicht das auch gleichzeitig eine “Diebstahlsicherung” für meine Gepäckträgertasche darstellt. Um die Tasche aus der Halterung zu bekommen, müsste man folglich dieses Teil demontieren. Gedruckt habe ich dieses Teil aus PETG. Diesmal habe ich es nicht lackiert, mal schauen wie lange die Sonne braucht um dieses Teil “aufzulösen”.
Gabel
Wo wir gerade bei 3D-Druckteilen sind. Da die Gabel etwas exponiert absteht, ist es mir schon das ein oder andere Mal passiert, dass ich irgendwo lang ratschte. Kleine Kratzer sind also vorprogrammiert. Demzufolge habe ich auch hier meinen 3D-Drucker angeworfen und ein paar Opferteile an den abstehenden Seiten angeklebt.
Hierfür habe ich mir ein Klebeband besorgt, welches schon von Hause aus gummiartig, dicker und doppelseitig ist. Bisher bin ich mit dieser Lösung ganz zufrieden. Und ich habe immer ein paar Ersatzteile mit um die zerstörten Plastikteile Vorort austauschen zu können. Das Klebeband macht dies ohne Probleme möglich und ist auch nach Monaten noch gut nutzbar.